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Gestern war ich bei der Zahnärztin

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Gestern war ich bei der Zahnärztin.

Wer mich kennt, weiss, dass so ein Satz in der Regel eine sehr knappe Zusammenfassung von den vorangegangen Tagen ist. Das fängt eigentlich schon an dem Tag, an dem ich den Termin mache. Und ich mache wirklich nur einen Termin, wenn ich ihn wirklich brauche. Ogotoogottogott, was habe ich getan ist somit der erste Gedanke, wenn ich mich artig am Telefon von der Zahnarzthelferin verabschiede. Hatte sie denn wirklich Dann sehen wir uns in zwei Wochen … gesagt? Weia weia weia. Ja, ich habe so etwas wie eine Zahnarzt-Phobie. Zwei Wochen Zeit den Termin zu verdrängen, aber meist bei dem verzehr von kalten oder süssen Speisen sehr unangenehm wieder daran erinnert zu werden. Am Tag vor dem Termin beginnt dann eine Art prepupertäre Phase. Ich will da nicht hin. Ich gehe da nicht hin. Pah! Darauf folgt dann am Tag des Termins die postpensionäre Phase. Ach, das hat doch alles kein Zweck. Ich sterbe ja eh bald. Wir sterben schliesslich alle bald irgendwann mal. Auf dem Weg zum Zahnarzt kommen dann noch mal ein paar Gedanken wie „Was ist schlimmer – mit dem Auto vor diese Mauer da oder eine Stunde in der Praxis?“ bis ich dann höchst erwachsen am Tresen meine Karte zücke und 10 Euro aus der Tasche krame (Oach, ich habe keine 10 Euro dabei, kann ich wieder gehen?).

Dazu muss ich sagen, dass ich die beste Zahnärztin der Welt habe und eigentlich dieser ganze Stress vollkommen unnötig ist. Aber ich habe eben meine Phobie. Und auch schon so lange, da muss ich sie doch auch pflegen, oder?

Gestern war ich bei der Zahnärztin.

Und ich hatte auch den ganzen Stress gar nicht. Ich habe nämlich im Moment so viel um die Ohren und dazu auch überhaupt keine dollen Zahnschmerzen, so dass ich den Termin schlichtweg vollkommen vergessen habe. Als ich dann aber kurz vor Feierabend kurz die Finanzministerin angerufen habe, um zu fragen, ob ich auf dem Heimweg noch etwas besorgen soll, fragte sie mich, ob ich denn schon auf dem Weg zur Zahnärztin wäre. Auf dem Weg? Ah-ah-ahga! Nein, ich sass noch im Büro und der Schockzustand lähmte ganz arg mein Zentrum für Schlagfertigkeit und geniale Ausreden™.

50 Minuten nach dem Telefonat sass ich bereits auf dem Behandlungsstuhl. Zick-zack mit einer Spritze im oberen Kiefer. Ja, ich nehme immer eine Spritze. Immer. Und nein, ich finde es nicht lustig, nach dem Termin eine dreiviertel Stunde aus dem Mund zu sabbern und mich beim Sprechen wie Sylvester Stallone anzuhören. Aber das ist zusammengenommen noch besser als auch nur einmal ansatzweise zu spüren, wenn der Bohrer den Nerv tangiert. Ich sitze also bequem im Stuhl, die Spritze wirkt und alles ist ok. Es folgt der Auftritt der weltbesten Zahnärztin. Die sagt mir, dass ich mich entspannen soll und erklärt mir freundlich, dass sie jetzt den Stuhl verstellt, so dass sie besser die Karies an einem meiner oberen Zähne entfernen kann. Sie fährt die Lehne des Stuhls nach unten. Tiefer. Noch tiefer. Noch viel tiefer. Bis mein Knopf – zumindest gefühlt – schon fast den Boden berührt.

Dankbar benebelt von der Spritze – ja, ich rede mir gerne Placebo-Effekte ein, Klappe halten, Leser – merke ich, wie mir das Blut nach und nach in den Kopf läuft. Die Behandlung ist vollkommen unspektakulär. Auch auch ziemlich fix vorbei. Die freundliche Helferin poliert mir noch schnell das neue Fremdteil in meinem Mund und fährt den Stuhl wieder nach oben. Sie können sich jetzt den Mund ausspülen. Ja, das möchte ich. Den blauen Plastikbecher und meine Hand trennen 20 cm, der Weg, den mein Mund dann zurücklegen muss ist deutlich länger. Das mag sich jetzt lächerlich anhören, aber …

Ich habe Rücken.

Am Sonntag war ich nämlich mit dem Nachwuchs 1.0 beim Auswärtsspiel. Das Kind spielt jetzt Volleyball und erfährt meine totale Unterstützung. Ich habe damals™ auch Volleyball gespielt. Ein toller Sport und es ist wie ein Sonnenstrahl auf meine Seele, meinen Nachwuchs spielen zu sehen. Die Kids spielen pro Spieltag immer gleich gegen zwei Mannschaften und zwischen den Spielen gibt es immer Pausen. In diesen Pausen lasse ich es mir selbstredend nicht nehmen, mit den Kindern ein wenigrumzuhascheln. Rumhascheln. So haben wir es damals™ genannt, wenn wir einfach ein bisschen Ball gespielt haben.

Mein armes Kind muss ich dabei aber regelmässig meine Tipps anhören und als – versucht nicht überehrgeiziger – Vater habe ich halt so einiges, was ich dem Kind mitgeben kann. Nachdem das Kind mir aber unmissverständlich ein deutliches Signal gegeben hatte, dass es die Lektion verstanden hatte und ein weiteres Extra-Training nicht mehr nötig sei (ich geh jetzt mit den anderen spielen.), habe ich mich dazu hinreissen lassen, locker flockig ein paar Sprungausgaben aus zu probieren. Alda hat es noch drauf, oder?

Mit zwei Tagen Abstand, kann ich sagen, dass ich mich für diesen Auftritt schäme. Damals™ ist nämlich jetzt schon 20 Jahre her. Zudem stehen zwischen mir und meinem jungen Ich bescheidene 15 kg. Auch habe ich damals™ zwei Mal die Woche Training gehabt und mich auch so regelmässig bewegt. Ich will also probieren, ob Vati die Sprungangaben noch drauf hat. Kurze Erklärung. Man wirft den Ball ein Stück vor sich in die Höhe, holt mit zwei, drei Schritten Anlauf, springt ab und trifft auf dem Höhepunkt des Sprungs idealer Weise den Ball, so dass sich dieser dann hart und schnell über das Netz ins gegnerische Feld bewegt.

Ich werfe den Ball. Ahhh, Daddy kanns noch. Ich nehme Anlauf. Wie in alten Zeiten. Ich springe ab. .. .. Hallo, ich sagte, ich springe ab. Nun, Godzilla tanzt auch kein Ballet. Ich schraube also meine gewaltigen Körper in die Höhe. Für Aussenstehende mache ich einen kleinen Hüpfer. Treffe den Ball gerade noch so irgendwie. Der Ball bewegt sich in eine ungeahnte Richtung. Über das Netz? In das gegnerische Feld? Hart? Schnell? Nein!

Ok. Ok. Das war ja auch erst der erste Versuch. Jaja. Daddy kanns noch! Ich bin mir sicher. Versuch Nummer 2. Nein. Versuch Nummer 3. Nein. Versuch Nummer 4. Nein. Himmel, war das früher auch so anstregend. Egal. Ich muss jetzt sowieso noch mal schnell was bei Facebook nachschlagen. Ich lasse mich also erschöpft auf die Bank plumpsen und verweile dort auch, bis wir den Heimweg antreten können. Als ich mich ins Auto setze, merke ich.

Ich habe Rücken.

Der Becher ist also ganz schön weit von meiner Hand entfernt. Die Spuckbecken-Mund-Entfernung scheint unüberbrückbar. Aber ich habe den Willen. Den Willen die Praxis so schnell wie möglich zu verlassen. Nicht zuletzt um potentiellen Ermahnungen und Moralpredigten bezüglich der Mundhygiene zu entgegen. Will kann Berge versetzen. So schaffe ich es, meinen Berg von Bauch derart zu verformen, dass er es meinem geplagten Rücken ermöglicht, sich so zu krümmen, dass ich den Becher erreiche und ich in einem Bewegungsablauf – Effizienz! – meinen Mund an das Spülbecken bringe. Heureka. Ich rutsche vom Stuhl und nicke der Zahnarzthelferin freundlich zum Abschied zu.

Bis nächste Woche! höre ich sie noch im Hinausgehen sagen.

5 Kommentare

  1. Ich hab auch mal Volleyball gespielt. Bis die anderen meinten, sie müssten in so ner Liga oder so spielen. Ab da hab ich nur noch auf der Reservebank gesessen.
    Den Becher beim Zahnarzt erreiche ich trotz Übergewicht bislang noch mühelos.

  2. „Godzilla tanzt auch kein Ballet“ – ymmd

  3. Genial! Was hab’ ich gelacht!
    Priceless … that’s why kostet dieser Blog nichts!

  4. Das erinnert mich daran, wie ich letzten Sommer versucht habe, dem Nachwuchs beim Sommerfest der Grundschule zu beweisen, dass ich schneller Waveboard fahren lerne, als er. Ich glaube die Blicke der Grundschulreferendarinnen waren eher mitleidig, denn bewundernd …

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