Drüben bei willsagen.de unterstellt man mir, ich würde mit meinem vorstehenden Beitrag Free Tibet in dekadenter Weise dazu aufrufen, nicht für die Erdbeben-Opfer von Haiti zu spenden.
Das ist natürlich ganz grober Unfug. Natürlich sollen alle spenden. Jeder so viel wie er kann und will. Ich darf mich selbst zitieren: Wer spenden will, soll das tun und Ende. Und auch finde ich es sinnvoll, wenn in der Tagesschau zum entsprechenden Thema die passenden Nummern eingeblendet werden. Auch verdamme ich in keine Weise das Spenden. Und ich verstehe auch überhaupt nicht, wie man sowas aus meinen Zeilen herauslesen will. Ganz grober Unfug (Mal ganz davon abgesehen, habe ich auch schon zu Spenden aufgerufen).
Während der Kommentator Mario wohl zumindest ansatzweise verstanden hat, mag ich für den Kollegen stephan – der diese Zeilen dann wohl vielleicht auch gar nicht mehr liest – meine Zeilen entschlüsseln.
Vorab möchte ich dann auch bitten, meine Meinung und meine Zeilen nicht mit denen meiner Kommentatoren zu vermischen. Mich kotzen diese Spendenaufrufe an! Ja, in der Tat das tun sie. Und damit meine ich, dass man den Fernseher nicht mehr einschalten kann, ohne dass man sich plötzlich bei irgendeiner Charity-Show wiederfindet, wo irgendwelche Gesichter zu Spenden aufrufen. Denn in der Tat kommt es mir komisch vor, gerade wenn die Trivial-Sender zu Weihnachten und zu jeder Katastrophe mal eben eine Spenden-Gala einläuten, den Rest der Zeit aber immer nur hübsch auf die Quote achten. Da liegt der Verdacht nah, dass man mit einer Spendengala mittlerweile auch hübsch Quote machen kann.
Und in diesem Zusammenhang geht mir auch dieser Betrofffen-Hype auf die Nerven. Ich bewundere jeden Blogger, der einen kurzen Beitrag schreibt, in dem er bekannt gibt, soeben sein komplettes Erspartes gespendet zu haben. Kudos! Aber irgendwelche pseudo betroffenen Einträge, in denen dann mit dem moralischen Finger gewedelt wird, kann ich nicht ausstehen. Und eben das habe ich geschrieben.
Und ich bin auch ein Stück weit verbittert, dass nur Dramen mit aktuellem Bezug ins Augenlicht der Öffentlichkeit rutschen. Es scheint mir, als würden Katastrophen heute auch nur noch konsumiert, wie eine Reality-Soap im Fernsehen. Erinnert sich noch jemand an den Sudan. Nein? Tolles Urlaubsziel für Menschenschlächter. Und das seit 2004. Krähnt doch kein Hahn mehr nach.
Der Kollege Will Sagen schreibt im Übrigen noch hübsch persönlich: Klar, wem die Sitzheizung und Abstandswarner in seinem Audi wichtiger sind, als dass jemand auf das Leid in der Welt aufmerksam macht, so dass vielleicht nur ein ganz paar Leute ein bisschen Geld spenden, der findet Spendenaufrufe zum Kotzen. Ich habe so gar nichts, wenn jemand auf das Leid in der Welt aufmerksam macht. Und das – auch wenn ich mir nicht vorstellen kann noch ein Mal ein Auto ohne Sitzheizung zu fahren. Ich finde es nur so bitter, dass immer alle zur gleiche Zeit das Gleiche schreien und dann auch genauso schnell und synchron wieder verstummen.
PS: Lieber „stephan“, solltest Du meinen Text jetzt verstanden haben und nicht mehr so schlimm finden – ich lege trotzdem überhaupt keinen Wert darauf auf Deiner Blogroll zu stehen.
19. Januar 2010 um 16:06 Uhr
Wo ist das Problem, wenn Fernsehsender bei einer Spendengala Quote machen und wahrscheinlich was daran verdienen? Ohne Spendengala bekommen die Bedürftigen gar nichts. Ist das besser? Lieber immer den doofen Bohlen angucken, der die Kohle allein einsackt?
Die Argumentation hört sich immer so an:
Wir machen besser mal nichts und finden alles andere schlecht, weil es könnte jemand anders auch einen Vorteil haben, dem wir das aber nicht gönnen.
19. Januar 2010 um 22:22 Uhr
@Will: Wo das Problem ist. Ganz einfach. „Leid akkumuliert nicht.“, wie Thilo Baum [1] völlig richtig geschrieben hat. Das Leid eines Menschen zu lindern ist immer gleich gut, egal ob er in Altona unter eine Brücke friert, in Afrika hungert, oder in Haiti kein Haus mehr hat. Die Tatsache, dass wir nicht ständig Spendengalen im Fernsehen sehen, und nicht ständig spenden, ist nur auf unsere perverse Aufmerksamkeit zurückzuführen, die Thilo so berechnet.
Nachrichtenwert = (Anzahl der Opfer * Prominenz) / Entfernung vom Erscheinungsort
Dass diese Rechnung die unerträgliche Wahrheit aber eben deshalb zum Kotzen ist, dass ist das, was Jog eigentlich sagen wollte – glaube ich.
[1] http://www.thilo-baum.de/lounge/die-wunderbare-welt-der-medien/haiti-wie-sexy-ist-der-tod/
20. Januar 2010 um 06:40 Uhr
Nene, ich glaube längst, dass das von Jog ein ungemein geschickter, verkappter Spendenaufruf war.
20. Januar 2010 um 08:53 Uhr
Lieber jog,
zunächst: Entschuldigung. Wir sind beide mißverstanden worden. Während dein Beitrag auf Empfängerseite falsch entschlüsselt wurde, habe ich mich anders ausgedrückt als ich es eigentlich wollte (häufiges Editieren eines Kommentars in diesen kleinen Textfelder sorgt bisweilen dafür, dass man die Übersicht verliert).
Ursprünglich ging es mir darum zu sagen, dass ich dieses „ich entferne dich aus meiner Blogrolle weil du doofe Füße hast“ absolut nicht leiden kann.
Dies tritt häufig in Verbindung mit einzelnen Blogeinträgen auf, die man selbst als moralische kompetente Instanz verurteilt und sich somit als höchste Instanz zur Wahrung der Integrität der Blogosphäre (oder sonstigen Quatsch).
Man mag mir glauben oder nicht, wenn ich jemanden aus meiner Blogroll – wenn ich eine hätte – entferne, dann heimlich still und leise, ohne die große Moralkeule zu schwingen.
21. Januar 2010 um 02:59 Uhr
Die Blogeria ist schon ein hübscher Kindergarten. Lustig ist es allemal.
PS: Habt ihr alle brav gespendet?
21. Januar 2010 um 12:39 Uhr
Ja, Katastrophen besitzen allgemein einen hohen Unterhaltungswert. Darum werden sie auch so oft verfilmt.