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Polen in 240 Minuten

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Die Finanzministerin waren von Freitag bis Montag in Polen. In Olsztyn, 1.000km hin. 2 Tage da. 1.000km zurück. Völlig irrsinnig. Wissen wir. War aber grossartig. Hat richtig niederschmetternd angefangen. Auf dem Weg nach Berlin waren wir 15km oder auch 150 Minuten lang ein Stau. ÄTZEND! In Berlin haben wir bestens genächtigt, um dann noch mal 10.5 Stunden durch Polen zu eiern. Im Prinzip kann man sich diese Reise mal bitte kurz wie einen Roadmovie vorstellen.

Die ersten 60 Minuten sind wie ein ruhiger Fluss, ohne durchgehende Handlung. Bei traumhaftem Wetter. Sonnenschein ohne Ende, aber trotzdem wunderschön weisse Wolken am leuchtend Himmel. Immer wenn man meint, es könnte einen Punkt zu entspannend werden, wird mal eben ein kleines Highlight eingesetzt. So wie der Beinahe Auffahrunfall ( die Bremsen vom Ford sind super in Ordnung, vielen Dank an dieser Stelle mal an den Schrauber unseres Vertrauens ) oder man sieht sich als schier nicht glauben wollender Beobachter einiger Überholmanöver, die mehr Dramatik und Spannung hatten, als alles was einem so in Deutschland geboten bekommt. Ich vermute ja, dass die irgendso ein Radardings in ihren Fahrzeugen haben. Das verbunden mit einem GPS und einem Computer, der errechnet, wie schnell man wann wie wo sein muss, um nicht als Blechbrei vor so einem mit Vollgas entgegenkommenden LKW zu enden. Und Laster gegen Laster will man doch nicht wirklich aus der zweiten Reihe live ansehen. Davon losgelöst zwischendurch immer wieder wundervolle Landschaften, die dem Auge wirklich geschmeicheln. Die ersten 60 Minuten enden dann mit einem herzlichen Abend in Olzstyn.

In den nächsten 60 Minuten wird man dann zugeknallt mit positiven Ereignissen. Bunt durcheinander. Lustig, wunderschön, kurios, freundlich bizarr, wild. Eingepackt von David Lynch – die Szenerien. Pervers naturige Natur. Also Natur pur, nahezu irreal schön. Ich habe innerhalb einer Stunde vermutlich mehr Libellen gesehen als in meinem ganzen bisherigen Leben zusammen. Im Kajak sitzend. Bei wieder perfektem Wetter. Rücktransport mit fünf Leuten auf der Rückbank in einem alten Kadett mit vollgepacktem Kofferraum und Kajak-Hänger. Auf einem kratergespicktem Feldweg. Brumm Brumm Brumm. KNACK! Wroooohhhm Pök Pök Wroooohhhm Pök Pök. Jo. Auspuff kaputz. So voll und ganz wie ein Klischee benutzt und ein bisschen dick aufgetragen. Oder dann – ganz gegen das Klischee – zwischen zwei Polen zu stehen, die vom Autosabschleppen und -warten noch viel weniger haben als ich. Der Abend dann eingeleitet mit einem phänomenal guten Essen und fortgeführt mit dem Gläsern voll feinstem Å»ywiec, meines Erachtens dem besten Bier Polens, wenn nicht dem besten Bier überhaupt. Dazu gereicht lustige kleine Gläschen mit Wodka. Letzteres in nicht enden wollenen Schleifen sich wiederholend. Bis zum wunderschönen Sonnenaufgang mit in rosa Tüll gehüllten Wolken jugendliche Körper in unterschiedlichsten Clubs, die sich in der Musik wiegen. Morgens um fünf Uhr noch ein Pizza-Baguette mit Majonese.

Die dritten 60 Minuten, also der zweite Tag in Polen, beginnen dann mit einem brachialen Tritt auf die Bremse. Entschleunigung pur. Raus aus der Stadt. Ein Feld auf dem gut 30 Störche nach Futter suchen. Irreal. Mit Heidelbeeren gefüllte Piroggen als Frühstückersatz mittags gegen 12 Uhr in einem Restaurant auf dem Land. Beschauliche Besichtigung einer Försterei mitten im endlos wirkenden Wald mit anschliessendem Spaziergang. Ruhe. Stille. Ein Pilz auf dem Weg, Heidelbeeren zum Pflücken am Wegesrand. Als Ziel ein idyllischer See. Zurück in der Stadt noch einen Kaffee zum Sonnenuntergang und ein gutes Essen im Restaurant am See zum Mondaufgang über dem Selbigen. Frühe Bettruhe als Vorbereitung für die Heimfahrt.

Die letzten 60 Minuten dann ein langer Abspann mit genügend Zeit, das Erlebte verarbeiten zu können. Wohl aber wieder mit wahnwitzigen Überholmanövern gewürzt, diesmal mit aktiver Teilnahme ( Überhole nie in Polen rechts auf einer Einfahrt, es könnten sich dort Schlaglöcher mit dem Ausmassen eines deutschen Baggersees befinden deren zu schnelle Durchquerung das Auto in einen Zustand versetzt, den man durchaus mit Abheben beschreiben kann ). Dann einsetzender Regen als stimmungsvolle Einleitung für das Vorbeifahren an eben so heruntergekommen wie blutjung aussehenden Prostituierten auf dem nicht enden wollenden Strassenstrich. Zum Ende noch zügige 400 km in Deutschland in einen adretten Sonnenuntergang, der dem Sonnenaufgang am Samstag in keinster Weise das Wasser reichen konnte.

Ich würde mich am liebsten gleich wieder ins Auto setzen.

Ein Kommentar

  1. ein unglaublich schönes erlebnis…

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