Ich tue mich gerade extrem schwer, mir eine Meinung zu bilden, was ich von der momentanen politischen Landschaft halten soll. Ich habe auch noch überhaupt keine Ahnung, welche Partei ich bei der kommenden Bundestagswahl unterstützen möchte, oder besser gesagt, welcher Partei ich den Auftrag geben möchte, meine Interessen zu wahren.
Als Webjockey, der die letzten 10 Jahren im Internet gearbeitet und gelebt hat, drängt es sich ja augenscheinlich auf, dass ich Piratenpartei wählen muss. ben_ hingegen ist sich da ziemlich sich. Tom Boley hingegen meint, es wäre sinnvoller, sich in einer der etablierten Volksparteien zu engagieren, um unserem Wissen dort eine Stimme zu geben. Einige Stimmen meinen gar, die Zeit der grossen Volksparteien wäre eingeleutet. Ich bin mir da nicht so sicher.
So sehr ich auch mit den Zielen der Piraten sympathisieren und die Vorstellung an sich – ein Pirat zu werden – ja gerade zu Kindheitsträumen wahr werden zu lassen scheint, ich habe ja auch ein eigenes – wenn auch bescheiden kleines – Hirn.
Nach dem Lesen des Parteiprogramms der Piratenpartei Deutschland sehe ich da zwar die Online-Seite meines Daseins recht gut vertreten. Das wars dann aber auch schon. Ich bin aber auch Ehemann, Vater, Sohn, Arbeitnehmer, geringfügig Sebstständiger, Autofahrer, Oldtimerfreund und Läufer. Wenn ich die Piraten wählen würde, wäre das nicht ein Zeichen in Richtung jedem seine kleine Splitterpartei.
Dann wiederum. Die Grünen haben damals auch mit einer einzigen Richtung angefangen und sich ja mittlerweile auch in anderen Bereichen positionieren, etablieren und profilieren können. Und ist das Internet nicht mittlerweile mehr als nur ein weiterer Kommunikationskanal?
Von diesen Überlegungen ganz unabhängig finde ich die Parteien heuer so ungemein gesichtslos. Die Auswahl an charismatischen Lichtgestalten in den Parteien ist doch sehr dürftig. Nicht, dass man sowas nun unbedingt bräuchte, das ist ja auch schon mal ganz bitter nach hinten losgegangen in unserem Land, aber eine graue Maus tut sich schwer, mich für ihre Sache zu begeistern.
Ich werde wählen am 27. September, so viel steht fest. Ich sollte den Wahlkampf in diesem Jahr aber wirklich intensiv nutzen, um für mich die passenden Volksvertreter zu finden.
21. Juni 2009 um 11:57 Uhr
In der selben Situation befinde ich mich auch.
In einer großen Partei engagieren halte ich für wenig Zielführend. Mein bester Freund hat lange Jahre aktiv in der SPD mitgewirkt und die Erzählungen aus Mobbing, Druck in bestimmte Richtungen, interne Kämpfe etc. lassen mich nicht dran glauben, dass ein Querkopf, wie ich einer bin, neben der Arbeit da irgendwas erreichen kann.
Zumal ja die direkte Vergangenheit zeigt, dass es scheinbar auch nichts hilft, wenn politisch etablierte Mitglieder einer großen Volkspartei Tatsachen aufzeigen.
Piratenpartei ist letztendlich auch für mich der Weg, politisch passiv teilzunehmen. Ich seh die PP aber eher wie die Grünen vor 15 Jahren. Die Grünen waren auch sehr auf einige spezielle Themen fixiert, wurden dafür recht stark belächelt und haben doch über die Jahre genau diese Themen auch in anderen Parteien etabliert.
Es gibt keine Partei, die mir zu 100% aus der Seele spricht, aber ich mach mir derzeit mehr Sorgen um das, was sich die letzten Jahre im Überwachungs- und jetzt Zensursektor tut, als über Steuerthemen, Altersvorsorege oder so.
Eigentlich wollte ich das Piratwerden die kommende Woche angehen, aber nach der jüngsten, extrem Populistischen und in meinen Augen extrem unüberlegten Aktion mit Jörg Tauss, werd ich mir die Reaktionen auf Kritik erstmal anschauen, denn Kritikfähigkeit einer Partei ist, das sehen wir gerade derzeit wieder, extrem wichtig.
21. Juni 2009 um 14:53 Uhr
Ich glaube mit dem Artikel triffst Du den Nerv von vielen (auch von mir), danke. Auch ich sehe die Piraten noch sehr skeptisch, aber letztendlich unter dem „Grünen-vor-15-Jahren“-Argument. Ähnlich wie Jens (1) stelle ich mir persönlich Vorteile verschaffende Anliegen (Steuersenkungen o.ä.) hinter die große Problematik der zunehmenden Eingriffe in unsere demokratischen Grundrechte zurück. D. h. die etablierten Parteien mit ihrem populistischem Wahlk(r)ampf werden bis auf weiteres auf meine Stimme verzichten müssen. In der Hoffnung das viele so handeln und so die Etablierten mal wieder auf dem Boden der Tatsachen zurückkommen und darauf besinnen, für wenn sie tätig sind.
Welche der kleinen Parteien meine Stimme bekommen wird, halte ich mir auch noch offen, allerdings, groß ist die Auswahl nicht.
22. Juni 2009 um 07:22 Uhr
>Ich sollte den Wahlkampf in diesem Jahr aber wirklich intensiv nutzen, um für mich die passenden Volksvertreter zu finden.
Ich bin davon überzeugt, dass du genau dort nicht die Antworten finden wirst, die du suchst. Zumindest keine ehrlichen. Das ist doch reine Populismusshow und Volksverarschung.