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The day Hell’s Kitchen froze over

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Heute wollte ich eigentlich wieder arbeiten. Bin aber schon spät aufgewacht und sass um kurz vor acht noch ziemlich entspannt auf dem Klo ( nein, keine Bange, keine weiteren Details dazu ). Da klingelt es. Mehr oder weniger hocherfreut frage ich mich, was ich denn wieder Feines bei Amazon bestellt habe. Also reisse ich mit einem latent konsumgeilen Grinsen die Tür auf. Während der erste Schub eisige Kälte mein Gesicht trifft, gefriert auch mein Grinsen.

Wennderbaustoffhaendler2XklingeltBaustoffhandel Sowieso. Guten Morgen! Der Mann trägt eine grüne Latzhose und ist gut gelaunt. Es ist definitiv nicht der Paketbote. Mein kleines Gehirn arbeitet unermüdlich, aber der Morgen ist nicht meine Zeit für geistige Höchstleistungen. Sie hatten bestellt, ich liefere. Ja. Ja. … Ja. Ich erinnere mich. Dunkel. Naja. Alles Lüge. Ich weiss genau, was der Mann von mir will, aber ich hatte es ein bisschen verdrängt. Geplant verdrängt.

Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich nett zur Arbeit fahre und wenn ich wieder komme, dann hat die Finanzministerin den Nachbarsöhnen jedem zweieurofufzig in die Hand gedrückt, damit die den Kram auf den Boden schaffen. Ok. Der Plan war nun dahin. Verdammt. Also werfe ich mir fix eine Jacke über und folge dem gutgelaunten Mann in Grün. Der hat einen dicken LKW dabei. Darauf stehen 4 vollgepackte Paletten. Ist das alles für uns? frage ich ihn ungläubig? Er nickt und schwingt sich auf den Hochsitz seines kleinen Krans. Der Kran ist eingefrohren. Ich frohlocke schon. Dann funktioniert der Kran plötzlich doch. Verdammt.

Wenig später stehen die Paletten vor mir. 27 Rollen Dämmzeugs – also diese Mineralwolle, die eigentlich Glaswolle ist, jetzt aber anders genannt wird, damit man das Zeug trotzdem noch kauft. 80 Platten Fermacell in 1m x 1.50m. 46 Fermacell-Estrich-Elemente. Das sieht viel aus. Das sieht schwer aus. Ich will am liebsten ins Büro. Aber zuerst muss ich mich mal eben um die Rollen kümmern, die da jetzt die Ausfahrt des Nachbars blockieren ( Später merke ich, dass der erst gegen 14 Uhr aufgestanden ist. Pah! ).

Baustoff Dachboden

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wozu bin ich denn auch verheiratet. Also wecke ich die Finanzministerin. Die ist ein Morgenmuffel. Durch und durch. Und schon geht es mir ansatzweise besser. Das Material wollen wir auf dem Dachboden lagern. Ich weiss, dass das ein völlig dämlicher Plan ist. Schliesslich wollen wir das Dach ja isolieren und brauchen Platz da oben. Aber die Nachbarn wollten die Paletten auch nicht im Wohnzimmer zwischenlagern ( U n d a n k b a r ! Oder? ), also muss das alles auf den Boden.

Die Rollen sind nicht schwer, aber mir 1.20m Breite auch nicht unbedingt handlich. 30m und 3 Stufen zur Eingangstür. 15 Stufen in den ersten Stock. Weitere 14 Stufen ins Dachgeschoss. 37 mal hoch. 37 mal runter. Dann kommt die Finanzministerin aus der Kita wieder und dann steige ich pro Rolle nochmal 7 Leiterstufen hoch und wieder runter. Denn die Rolle kommen auf den Zwischenboden. So fertig. Also ich.

Dann geht es an die Fermacell-Platten. Ich hatte extra kleine Platten ausgewählt – ich wusste ja wer die wohin schleppen muss. Klein ist relativ. Im Vergleich zu 2.20m x 2m ist 1.5m x 1m ja schon klein. Wenn man das Ding sich unter den Arm klemmen will, empfindet man klein schon als völlig falsches Adjektiv. Zudem haben diese Platten zwei klitzekleine Nachteile. Sie sind – Verzeihung – Scheisse schwer und wenn man einen ordentlichen Stapel hat, dann wird der nicht wirklich kleiner, nur weil man immer wieder eine Platte runternimmt.

Körperliche Arbeit ist ja nichts für mich. Da hat mein Kopf nichts zu tun und ich komme auf bescheuerte Ideen. Zum Beispiel fange ich dann an nachzurechnen, wie lange ich wohl brauche. Wenn ich für eine Platte 2 Minuten brauche, dann brauche ich für 80 Platten 160 Minuten, das sind über 2.5 Stunden. Aber zwei Minuten ist wohl zu optimistisch. Wenn ich für eine Platte also 4 Minuten brauche, dann brauche ich für 80 Platten 320 Minuten, das sind dann drei Stunden und 20 Minuten. Boah! Aber ich muss bestimmt wenigstens alle 10 Platten eine Pause machen … Ist schon klar, dass man nach dem Tragen der ersten Platte völlig demotiviert ist, oder?

Besser als 5 Stunden Platten zu schleppen ist auf jeden Fall, erstmal alle Pakete aufzureissen. Da hat man dann mehr Druck. Gipsplatten und Regen oder Schnee? Schon interessant, aber für solche Spässe haben wir gerade kein Geld. Leicht säuerlich muss ich feststellen, dass die Estrich-Elemente an einer Seite beschädigt sind. Aber das schlägt schnell um in gute Laune als ich feststelle, dass sie die falschen Elemente geliefert haben. Also rufe ich den Johnny an und sage ihm, dass er mir das falsche Zeug aufgeschrieben und geliefert hat. Der Johnny hat gute Laune und ist auch noch freundlich und hilfsbereit. Angeber … Zu allem Ãœbel sagt er mir auch noch zu, dass sie heute nachmittag noch die Paletten austauschen? Wozu die Eile? Verdammt! Nächste Woche wäre doch auch ok gewesen.

Also zurück zu den Platten. Im ersten Schritt sollen die erstmal vor die Haustür. 80 Platten mal 30 Meter. Beladen hin, leer zurück. Das sind 80 mal 60 Meter. 4800 Meter. Waaaaas? Boah. Wenn ich mich mit 5 km/h bewege, dann brauche ich eine Stunde. Ach. Verdammtes Nachdenken. Die ersten 50 Platten trage ich alleine, bei den letzten 30 hilft mir die Finanzministerin. Mittlerweile ist es 14 Uhr. Die Nachbarjungs haben ausgeschlafen, die Finanzministerin muss wieder los in Richtung Kita. Die geben sich quasi die Klinge in die Hand. Hmmmm. Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, wer der wahre Depp ist, der hier durchgehend schuften muss. Zu dritt geht es aber deutlich leichter. Vielen Dank nochmal Jungs! Und als dann auch noch der Nachbar von gegenüber mit anpackt, geht es dann noch ein wenig leichter. Also alles relativ. Mir schmerzen schon seit 9 Uhr die Arme.

Kurz vor Ende meint der Nachbar, ob die Decke denn die Belastung tragen wird. Tztztz. Na logen. Ist doch mein altes Haus … Das macht nicht schlapp. Gegen 16 Uhr sind die Fermacell-Platten dann auch alle auf dem Boden verstaut. Und ich brauche nicht nur zwingend eine Pause sondern auch dringend eine Dusche. Na der Dusche lege ich mich aufs Bett – nur 5 Minuten, ehrlich. Und starre auf den Riss. Der Riss war gestern noch nicht da. Da in der Wand. In der Wand über der die Palette mit den Platten steht. Na danke. Verdammt, verdammt, verdammt! Das Problem ist, dass ich auf dem Boden nicht wirklich Platz habe. Kurzerhand schaffe ich mir etwas Platz und schichte nochmal fix ( allein auf dem Dachboden hört ja niemand mein Geheule ) 25 Platten um. Jetzt geht aber gar nichts mehr.

Also setze ich mich ins Wohnzimmer und schreibe eben diese Zeilen. Und – unter uns – ich schreibe ja gar nicht so gerne solche Textwüsten. Liest ja eh keiner. Aber – wenn ich aufhöre muss ich raus in die Kälte. Wir erinnern uns? 46 Estrich-Elemente – die haben sie nämlich brav geliefert ( super. Nur weil der Johnny das falsche aufgeschrieben hat, muss ich jetzt 250 Euro + MwSt. aus privater Tasche zahlen, der Kredit ist ja jetzt abgerufen ) und diese stehen jetzt akkurat in der Einfahrt. Dazu stehen da auch noch 30 Latten 3×6 in 4m. Die müssen auch noch irgendwo hin. Wohl aber erstmal nur hinters Haus.

Man sagt meinem bescheidenen Blog ja nach, es wäre ein Jammerblog. Ok. Wenn schon denn schon! Mein Rücken schmerzt und ich kann noch nichtmal sagen wo. Vermutlich, weil der ganze Rücken schmerzt. Meine Hände haben Schwielen. Meine Oberarme fühlen sich an als hätte da jemand Tischtennisbälle aus Blei implantiert. Meine Waden fühlten sich nach dem 10 km Lauf auch nicht besser. Ich bin müde. Ich bin kaputt. Ich hab Hunger. Ich glaube ich fahre noch fix in den Blödmarkt und kaufe mir was. Was Grosses. Problem ist nur. Was Grosses bekomme ich nicht mehr bis ins Auto.

Ich geh mal zu den Latten jetzt.

Nachgetragen: Kieferlatten sind nicht schwer. Eigentlich sind die ziemlich leicht. 4m lange Kieferlatten sind aber unhandlich. Ein Bund aus vier 4m Latten ist dann aber schwer und mehr als nur unhandlich. Aber ich war lustlos. 30 mal 60 Meter? Nene. Also nur 5 Mal. Dabei habe ich gepumpt wie ein Maikäfer. Somit war auch nur ein kurzer laxer Blick auf die Palette Estrich-Elemente nötig um festzustellen, dass es morgen weder regnet noch schneit. Also gibts morgen noch einen Nachschlag. Super!

10 Kommentare

  1. Wahrscheinlich wärst du heute so gern ins Büro gegangen wie nie zuvor? 😉
    Aber du hast ja noch Glück gehabt. Denn stell mal vor, die Decke wäre ganz gerissen – dann hättest du die ganzen Platten noch mal hochtragen müssen. 😀

  2. Holy Moly. Das ist krass. Das sind ja genau die Dinge, für die ich nicht gemacht bin. Mein Mitleid ist ungefähr grenzenlos. Echt. Kein Witz. Danke trotz- oder gerade wegen dem für die ausführliche und kurzweilige Teilhabe.

  3. hehe, ben. Dein Glück war, dass Sven heute schon am Arbeiten war. Sonst hätte ich Euch doch glatt auf ein Bier eingeladen.

  4. Im Moment weiß ich nicht, ob ich Mitleid habe oder froh bin, 400km weiter entfernt als vorher zu sein…

  5. Schöne Geschichte :-) Du solltest auf dem Sofa noch das Lied „Männer“ von Herbert Grönemeyer spielen und die Finanzministerin um Mitleid anbeten.

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  7. au backe – na da hast ja was vor ;o)

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