Der neue Morgen begann durchaus trockener als der Abend endete, allerdings verbreiten Nebel und Dunstschwaden auch so eine herrlich ungemütliche Stimmung, das man sich nicht so wirklich freuen kann. Das richtig frühe Aufstehen zahlt sich im Surfer’s Paradise. Denn Frühstück gibt es erst um 8.30 Uhr. Vorher kommt man nicht in die Cafeteria und somit auch nicht an das schwarze Gold, was einem dem Morgen erst erträglich macht.
Ein erster kleiner Spaziergang an das Steinhuder Meer verrät, dass der Wind auch an diesem Tag gar nicht bis wenig wehen wird – zumindest am Vormittag. Zum Frühstück gibt es reichlich Käse- und Wurst-Aufschnitt, Marmelade und Nutella zu weissen, warmen Brötchen. Wer mag kann sich auch Müsli machen. Zum Kaffee kann man sich auch einen O-Saft nehmen. Die Qualität entspricht keinem Sterne-Menü, macht aber satt.
Gegen 9.45 Uhr taucht unser Lehrer auf und beschliesst – nicht zuletzt wegen der Windstille – dass wir uns am Vormittag erstmal mit der Theorie beschäftigen und danach den für die internationale VDWS-Kite-Lizenz erforderlichen Test absolvieren. Diese Lizenz benötigt man, um sich an den Kitesurfing-Spots weltweit Material leihen zu können. Dies kann allerdings – unabhängig von der Lizenz – von Verleiher zu Verleiher unterschiedlich sein, es gibt wohl Verleiher, die sich erstmal gegen eine zusätzliche Gebühr vorkiten lassen.
Als Grundlage für die theoretische Prüfung nutzen wir das Buch Kiteboarding – Work & Stylebook des VDWS‘. Das Buch gibt es für Kursteilnehmer ermässigt für 10 Euro und ich kann es auch jedem empfehlen, der sich überlegt, mal das Kiten lernen zu wollen. Man kann die groben Unterschiede zwischen den drei Drachentypen, den Seilsystemen und den unterschiedlichen Boardtypen nachlesen. Kann darüber hinaus auch – anschaulich bebildert – sich anlesen, wie die Startmanöver funktionieren und bekommt auch einen ersten Eindruck über einzelne Manöver.
Dazu gibt es noch diverse Regeln und Sicherheitshinweise. Die erste und wichtigste Regel lautet: Als Kitesurfer befindest Du Dich am untersten Ende der Wassersportler-Hackordnung. Also selbst ein dusseliger Surfer hat mehr Rechte als ein cooler Kiter. Sprich – alle haben Vorfahrt – Du fährst als letzter. Untereinander hat derjenige Vorfahrt der entweder den rechten Fuss vorne hat oder aber derjenige, der im Lee fährt. Und schnellere Kiter müssen auf langsamere Acht geben ( also beim Überholen, weil der Kiter ja in der Regel nicht nach hinten schauen kann ).
Die theoretische Prüfung ist dann eher ein Witz. Ein paar Fragen, wo man aus mehreren Antworten die Richten auswählen muss. Die meisten kann man mit gesundem Menschenverstand beantworten, die anderen, wenn man dem Coach aufmerksam zugehört hat. Ein paar Antworten sind mE allerdings ziemlich fahrlässig formuliert. Jedenfalls haben wir alle den Test bestanden.
Danach ist erstmal Mittagspause. Der Wind macht keine Pause – er hat wohl eher einen Tag frei genommen. Dies bestätigt dann auch noch ein weiterer Gang an den See. Der ist zwar nicht spiegelblank, aber Wind fühlt sich anders an. Eigentlich sind laut WindGURU bis zu 8 Knoten angesagt, was einer Windstärke von 3 bft entsprechen würde. Aber irgendwie hat man beim Gehen mehr Wind im Gesicht, als beim verzweifelten auf den See starren.
Coach Jens zeichnet uns zwei Alternativen auf: Wir können zur Wakeboarding-Anlage in Garbsen fahren und dort unter Inkaufnahme von weiteren Kosten dort den Wasserstart üben – oder aber wir nehmen uns ein Seil und lassen drei Leute hier vor Ort einen Vierten aus den Wasser ziehen und dabei darauf hoffen, dass doch noch etwas Wind aufkommt. Wir entscheiden uns für letzteres und beginnen zunächst die Kites aufzubauen. Dann geht es zurück zur Basis – die Neopren-Anzüge anziehen.
Wenn ich ganz ehrlich bin, ich finde es einfach ekelig, gebrauchte Neopren-Anzüge und Schuhe anzuziehen. Allerdings bin ich mir auch noch nicht so sicher, dass ich beim Kiten bleibe, dass ich mir mal eben einen schicken O’Neill-Neopren für 250 Euros kaufe. Wohl aber entscheide ich mich dafür, mir zumindest eigene Schuhe zu kaufen. Die kosten 30 Euro. Das kann ich jedem nur empfehlen. Und zwar gleich vor dem ersten Tag, sich eigene Schuhe zu kaufen.
Auf dem Weg zum Strand frage ich unseren Lehrer Jens, warum er ( wie auch alle anderen Lehrer und geübten Kiter ) über seinem Neopren diese Surfer-Shorts trägt. Das sieht mE überhaupt nicht stylish aus. Er erklärt mir, dass beim Kiten zwischem dem Neopren-Anzug und dem Trapez ziemlich viel Reibung entsteht. Diese führt dann zu unnötigem Verschleiss des Neoprens. Eine Short dazwischen verhindert eben diesen Materialverschleiss. Später sehe ich im Shop von ION essentials ein Stealth Kite Boardshorts Harness also eine Shorts mit integriertem Trapez, das finde ich jetzt ganz sinnig und auch noch einigermassen ansehnlich.
Unser Spielchen – drei Leute als Zugpferde ziehen einen Vierten aus dem Wasser – klappt überraschend gut. Die meisten von uns schaffen es zumindest sich ein paar Meter auf dem Board zu halten. So habe ich das erste Mal ein Ich-fahre-auf-dem-Wasser-Gefühl. Sehr nett.
Als der andere Lehrer mit seinen Leute trotz Windflaute auf den See geht und zeigt, dass man einen Drachen zum Fliegen bringen kann, hält uns auch nichts mehr am Strand. Der Freund aus der alten Heimat und ich nehmen uns zusammen einen 14qm Bow-Kite. Das Ding zum Starten zu bewegen ist alles andere als einfach, aber wenn er sich dann erst langsam, dann schneller in die Lüfte hebt, ist das schon ein erhabenes Gefühl. Dennoch reicht der Wind kaum für einen Bodydrag. Aber ich habe trotzdem einen Heidespass. Mit so einem 3 oder 4m-Spannweiten-Ungeheuer knapp über dem Wasser einen Looping zu fliegen ist grossartig ( Jens sagt mir später, dass man mit einem Kite nicht mehr als zwei Loops hintereinander fliegen sollte, da sonst die Reibung an den Leinen zu stark wird und somit zu Materialverschleiss führen kann ).
Aber eins ist ganz klar – ohne Wind geht gar nichts – mit wenig Wind geht fast nichts. So verfeinern wir lediglich unsere Steuerkünste, aber richtig weiter kommen wir nicht. Die Stufe drei der Kite-Lizenz rutscht in weite Ferne. Zumal auch für die kommenden Tage nicht viel mehr Wind angesagt ist.
Immerhin haben die beiden Duschen heute heisses Wasser. Ich bin allerdings zu blöd und dusche mehr oder weniger als letzter, so dass das Duschwasser gerade mal noch lauwarm ist. Bevor wir uns zum Essen aufmachen, sitzen wir noch auf der Terasse, trinken Bier oder Tee und fachsimpeln und jammern über den ausgebleibenen Wind.
Das Abendessen nehmen wir dann gemeinsam mit dem Jens im Tandem in Neustadt am Rübenberge ein. Der Besitzer ist selbst Kiter und so können wir während des Verzehrs der ebenso zahlreichen wie leckeren Tapa noch aus dem Augenwinkel ein nettes Kite-Video ansehen. Das Restaurant verfügt übrigens auch über einen Internet-PC ( mit Linux ) dessen Nutzung kostenlos ist und über ein offenes WLAN. Zudem dürfen sich Kiteschüler über ein Freigetränk freuen. Nach der herzlichen Verabschiedung von Jens, begeben wir uns zurück ins Camp und fallen auch mehr oder weniger schnell in unsere Betten.
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